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Vorträge und Workshops der Winterschule 2011

 

Auch in diesem Jahr war die Attac-Winterschule wieder ein voller Erfolg. Rund 200 Teilnehmer bildeten sich in den verschiedenen Workshops eine Meinung darüber, wie man sich vom katastrophalen Wachstumszwang der kapitalistischen Gesellschaft verabschieden kann. Es wurde wie immer viel diskutiert und viel gelacht. Gemeinsam mit Referenten wie Dr. Harald Klimenta, Sabine Scherbaum, Sabine Gruber oder Prof. Hans-Peter Dürr wurden neue Ideen und Konzepte reflektiert, um dem gemeinsamen Ziel ein Stück näher zu kommen.

Im Folgenden findet Ihr einen kurzen inhaltlichen Überblick über die Workshops, Vorträge und Diskussionen. Bei einigen Veranstaltungen steht ein Videomitschnitt sowie die PowerPoint-Präsentationen als vertiefende Lektüre zur Verfügung. So können sich auch diejenigen, die nicht dabei sein konnten, einen Überblick verschaffen.

Vortrag und Diskussion

Wenn Wachstum keine Zukunft hat?! – Zwischen Verzichtsrhetorik und Technofantasien (Dr. Harald Klimenta)

Harald Klimenta ist in seinem Vortrag ausführlich auf die Ansätze der sogenannten Decroissance-Bewegung eingegangen. Ausgehend von den Vorstößen der Grünen unter dem Banner des „Green New Deal“ (und einer harschen Kritik desselben) stellte uns Klimenta die geistigen Väter der neuen französischen Bewegung vor. [Name1] [Name2] und [Name3] vertreten vor allem eine auf das Individuum und sein Weltbild/Selbstbild bezogene Veränderung, aus dem heraus eine neue Gesellschaft entstehen solle. Die praktischen Aktionen der Bewegung sprechen dafür, dass es sich um eine stark ökologisch orientierte, gesellschaftskritische Bewegung handelt. Klimenta ordnet sie nahe den Öko-Anarchisten ein.

Einen Videomitschnitt der Veranstaltung findet Ihr hier.

Und hier die Präsentation zum Vortrag

Workshop

Feministische Ökonomie und Postwachstumsgesellschaft (Sabine Scherbaum)

Sabine Scherbaum hat den Teilnehmern in ihrem Workshop die Grundsätze der feministischen Ökonomie näher gebracht. Die feministische Ökonomie definiert sich vor allem über ihre Kritik an hergebrachten und aus dieser Perspektive patriarchalen Betrachtungsweisen auf die Wirtschaft. Neben der immer noch bestehenden, teilweise gravierenden Ungleichheit in der Bezahlung von Frauen und Männern, sowohl zwischen „typisch weiblichen“ und „typisch männlichen“ Berufsgruppen, als auch innerhalb desselben Berufes richtet sich ein wesentlicher Kritikpunkt auf die Vernachlässigung der sogenannten „Care“-Ökonomie.

Die „Care“-Ökonomie beinhaltet alle die Tätigkeiten die in den Bereich der Fürsorge und der Reproduktion fallen. Diese Tätigkeiten, weitestgehend von Frauen ausgeführt, fallen aus den gängigen Wirtschaftsmodellen heraus, obwohl sie eigentlich die Grundlage jeder Ökonomie darstellen, auf deren Basis eine „reguläre“ Lohnarbeit überhaupt erst möglich wird.

Wege in eine wachstumsfreie Gesellschaft müssen ein Konzept bereitstellen, wie diese „Care“-Arbeit in eine wie auch immer geartete „wirtschaftliche Wertschätzung“ integriert werden kann.

Präsentation von Sabine Scherbaum

 

Workshop

Einstiege in eine wachstumsfreie Gesellschaft (Angelika Heimerl)

In ihrem zweistündigen Workshop ging die Diplom-Soziologin Angelika Heimerl von Attac München auf die Grundlagen des Entwachstums ein. Neben ökonomischen sprechen auch ökologische Gründe für die Décroissance-Bewegung. So wurde der ökologische Footprint – also der Umwelteinfluss durch menschliches Handeln – bereits in den 1980er Jahren überschritten. Der Mensch mutet der Umwelt mehr zu, als diese noch in der Lage ist zu verkraften.

Selbst wenn eine wachsende Wirtschaft daher durch gerechte Verteilung sozial machbar wäre, sprächen die begrenzten Umweltressourcen dagegen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gleichzustellen sind mit dem Produktionsfaktur Natur. So müssten Firmen ihre Umweltkosten internalisieren und für jegliche Schäden aufkommen. Den ersten Schritt hin zu Décroissance sieht Angelika Heimerl in einer Regionalisierung der Produktionskreisläufe. Banken sollten sich zudem auf ihr Kerngeschäft mit Kunden konzentrieren und die Hände von Finanzspekulationen lassen.

Text zum Workshop von Angelika Heimerl

 

Workshop

Kürzer arbeiten, besser leben (Sabine Gruber)

Text zum Workshop von Sabine Gruber 

 

Workshop und Debatte

Entwicklung - Grundsätzliche Überlegungen (Dr. Fritz Reheis)

Text zum Workshop von Fritz Reheis 

 

Debatte

Pro und Contra Décroissance (Christoph Frey, Dr. Harald Klimenta)

Entwachstum als Vision versus soziale Anpassungen im bestehenden Wirtschaftsystem – mit diesem scheinbaren Konflikt befasste sich die Pro und Contra-Debatte am Samstagabend. Christoph Frey, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in München, diskutierte die unterschiedlichen Ansätze mit Dr. Harald Klimenta. Für die Gewerkschaften steht die Verteilungsfrage im Vordergrund. Das Instrument für deren Umsetzung: die Tarifpolitik. Dabei gelte der Grundgedanke gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Doch das Problem für die Gewerkschaft seien die Unternehmen, die sich immer mehr aus den Flächentarifverträgen verabschiedeten.

Ob die Verteilungsfrage mit oder ohne Wirtschaftswachstum gelöst wird, spielte für Frey dabei keine Rolle. Klimenta sieht diesen Aspekt als Anhänger der Décroissance-Bewegung dagegen kritisch. So hätten sich die Gewerkschaften längst an das "süße Gift des Wirtschaftswachstums" gewöhnt. Klimenta verlangte deutliche Schritte zu einem Politikwechsel, ausgehend von der Basis. Einigkeit herrschte in der grundlegenden Kapitalismuskritik. Das System vernichte die Menschen und auch Frey wünscht sich einen Wandel. Für beide Diskutanten gilt: eine Revolution – warum nicht?

Das Video der Debatte findet Ihr in Kürze hier.

 

Abendessen und Diskussion

Wachsen/Schrumpfen – Verzichten/Gewinnen (Moderation: Renate Börger)

Der Samstag schloss mit einer Art buntem Abend, der von Renate Börger moderiert wurde. Neben kabarettistischen Einlagen wie Achim als FDP-Vertreter präsentierten Gwendolin und Kerrin vom AK Fairer Handel einen platonischen Dialog, in dem sie das Für und Wider ethischen Konsums erörterten. In der abschließenden Diskussion tauschten die ZuhörerInnen ihre Gedanken zu einer »guten« Lebensführung aus.

Fotos: Hagen. Die Bilder lassen sich durch Anklicken vergrößern.

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Vortrag und Diskussion

Bändigung des Leben zerstörenden Wachstums (Prof. Hans-Peter Dürr)

Der Physiker Prof. Hans-Peter Dürr führte die Teilnehmer der Winterschule am Sonntagmorgen über die Grundlagen der Physik an das Thema Entwachstum heran. Für ihn gilt, dass die Menschen in Zukunft strenge Gesetze in Bezug auf ein nachhaltiges Leben beachten müssen – oder "sie fliegen aus der Evolution". So sei Wachstum zwar auch in biologischer Hinsicht Leben. Doch müssten wir umdenken, was unser Handeln anbelange. Der Mensch dürfe sich nicht mehr als Krone der Schöpfung sehen, sondern als einen Teilaspekt der Umwelt.

Für Dürr sind die Erhaltungssätze der Physik dabei ein Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Die Menschen könnten den Planeten nicht größer machen, denn Materie ist nur begrenzt vorhanden. Eine chemische Umwandlung vorhandener Ressourcen zur wirtschaftlichen Nutzung sei nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Während sich die Seifenblasen an der Börse zwar vergrößern ließen, sei dies mit dem Planeten nicht möglich. Die einzige Energie, die von außen in unser Ökosystem gelangt, ist die Sonnenenergie. Dementsprechend sinnvoll sei es, diese "Exergie" auch zu nutzen.

Präsentation zum Vortrag von Hans-Peter Dürr

 

Workshop

BIP gut - alles gut (Bernhard Thomas)

Präsentation zum Workshop von Bernhard Thomas 

 

Workshop

Mobilität / Ökologie der Zeit (Dr. Fritz Reheis)

Präsentation zum Workshop von Fritz Reheis 

 

Workshop

Alternativen zum Wirtschaftswachstum (Martin Schmidt-Bredow)

Gerade einmal 0,1 Prozent machte die längste Zeit des Wirtschaftswachstums in Bezug auf die Menschheit aus. Dies ist für den Diplomkaufmann und Social Entrepreneur Martin Schmidt-Bredow Beleg dafür, dass ein gutes Leben auch ohne Wachstumszwang möglich ist. Und es gab bereits Länder in der Vergangenheit, in denen Wirtschaftskreisläufe ohne Wachstum funktionierten. Francois Quesnay entwickelte 1758 in Frankreich mit dem Tableau économique ein für damalige Zeiten revolutionäres Modell des Wirtschaftens. So erkannte Quasnay, dass die Landwirtschaft und das Handwerk einen gleichbleibenden Überschuss produzierten, den der Adel einkassierte. In dieser Wirtschaft hatten die Menschen ausreichend Arbeit, ohne dass es ein Wachstum gab.

In Bezug auf die aktuelle Situation stellt sich für Schmidt-Bredow die Frage nach dem postindustriellen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. In Deutschland gebe es nur noch 27 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte – Tendenz sinkend. Eine Entwicklung, die bereits seit 150 Jahren stattfinde. Für Schmidt-Bredow bleibt die Gesellschaft daher nur überlebensfähig, wenn sie künftig auf Kooperation anstatt Konkurrenzdenken setzt. Bereits eine Änderung der Lebensweise von einem bis zwei Prozent der Bevölkerung reiche aus, um eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen.

Präsentation von Martin Schmidt-Bredow